Ausgabe Nr. 2/2021

 

 

Kriminologisches Journal 2/2021

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Aufsätze

Verbotener function creep. Biogeographische Herkunftsinformation im Spannungsfeld forensischer DNA-Analysen, polizeilicher Ermittlung und rechtlicher Vorgaben

Nils Ellebrecht & Dominik Weber

Forensische Bestimmungen der biogeographischen Herkunft eines/einer unbekannten Verdächtigen anhand von DNA-Spuren sind in Deutschland nicht erlaubt, kommen aber bereits zur Anwendung. Dieser function creep ist nur zum Teil durch rechtliche Sonderregelungen und Graubereiche gedeckt. Dieser Artikel zeigt, dass die Herkunft eines/einer Verdächtigen bereits beim DNA-Profilabgleich eine Rolle spielt. Von hier aus reift die Herkunftsanalyse zu einem eigenständigen Verfahren heran, dessen verbotener Einsatz durch drei Entwicklungen gefördert wird. (1) In den Laboren werden Herkunftsinformationen im Zuge von DNA-Analysen teilweise ungewollt sichtbar. (2) Die Popularisierung und Automatisierung von Herkunftsanalysen haben diese massiv erleichtert. (3) Kontrolldefizite führen dazu, dass Analysen formal erlaubt und durchgeführt werden, obwohl es keine rechtliche Grundlage gibt.  Function creeps hängen folglich nicht nur von technischen, sondern auch von institutionellen Machbarkeiten ab.

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Carceral Feminism in Deutschland? Debatten um Vergewaltigungsrecht und sexuelle Gewalt in Partyräumen

Jenny Künkel

Im Kampf gegen sexualisierte Gewalt setzen Frauenbewegungen auch auf punitive Lösungen und den starken Staat. Dies wird v. a. in den USA als „Carceral Feminism“ kritisiert. Um zu untersuchen, wie weit dessen Logiken in Deutschland vorgedrungen sind, analysiert der Beitrag die linken Ränder besonders affektgeladener Sexualgewaltdiskurse. Anhand der Reform des Sexualstrafrechts nach Silvester 2015 und einer Moralpanik der linken Szene angesichts von hidden-cam-Aufnahmen auf einem Festival 2020 zeigt der Beitrag: Punitive Logiken sind bis in linke, aktivistische Kreise hoffähig. Denn weiße Mittelschichtsinteressen verquicken sich hier auf milieuspezifische Weise mit einer individualistischen Sexualpolitik, die geschlechterpolitisch legitimiert wird. Der Beitrag plädiert stattdessen für intersektionale materialistische Perspektiven auf sexuelle Gewalt.

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Forschung zu Polizeigewalt in Deutschland: Potenziale entfalten mithilfe der US-amerikanischen use of force Forschung

Hanna Meyer

Der Artikel geht der Frage nach, wie Forschung zu Polizeigewalt in Deutschland zukünftig ausgerichtet werden könnte, da diese für die Entwicklung evidenz-basierter Maßnahmen zur Kontrolle von Polizeigewalt unerlässlich ist. Basierend auf einer Analyse 46 deutscher und 29 US-amerikanischer Studien werden Herausforderungen, Defizite und Potenziale der Forschung in Deutschland vorgestellt und Anknüpfungspunkte zur US-amerikanischen Forschung aufgezeigt. Insbesondere der integrative Ansatz der use of force Forschung bietet Potenzial für Forschung und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Polizeigewalt, birgt jedoch auch Risiken.

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Buchbesprechungen

Ulrich Eisenberg & Ralf Kölbel: Kriminologie. 7. Auflage. (Harrendorf)

Alex S. Vitale: The End of Policing (Sack)

Bernard E. Harcourt: Gegenrevolution.Der Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger und Daniel Loick (Hg.): Kritik der Polizei (Scheerer)

Dörte Negnal (Hg.): Die Problematisierung sozialer Gruppen in Staat und Gesellschaft (Legnaro)

Lucia Sommerer: Personenbezogenes Predictive Policing. Kriminalwissenschaftliche Untersuchung über die Automatisierung der Kriminalprognose (Schneider)

 

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Aktuelles

Jahrestagung Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle

Call for papers „Alles neu!? Problemsoziologische Perspektiven auf Semantiken und Praktiken sozialer Innovation und Transformation“

Jahrestagung der Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle in der Deutschen Gesell-schaft für Soziologie am 17./18.11.2023 in Hannover

Wenngleich Ideen, die gegenwärtig mit dem Begriff der sozialen Innovation belegt werden, selbst keineswegs Anspruch auf Neuigkeit erheben können (vgl. u. a. Popplow 2021), ist in jüngerer Zeit ein vermehrtes politisches wie auch wissenschaftliches Interesse an dem theo-retischen Konzept sowie entsprechend markierten empirischen Phänomen zu vermerken (Schüll et al. 2022; Howaldt 2022). Soziale Ungleichheiten, gesellschaftlicher Wandel und di-verse – aktuelle wie sich abzeichnende – Krisenphänomene (u. a. COVID-19-Pandemie, Kriege, Migrationsbewegungen, Klimawandel) leisten Diskussionen um soziale Innovation und Transformation zusätzlichen Vorschub. Diesen als miteinander verschränkt wahrgenomme-nen gesellschaftlichen Entwicklungen soll, zumindest auf programmatischer Ebene, durch so-ziale Innovationen begegnet werden – sie fungieren hier als „Instrumente gesellschaftlicher Gestaltung“ wie auch als Mittel zur „Steuerung sozialen Wandels“ (Schubert 2016: 409). Als konstitutiv für soziale Innovation gelten dabei Merkmale wie Anders- und Neuartigkeit sowie der Anspruch, gesellschaftliche Phänomene, Entwicklungen wie auch individuelle Lebensäußerungen unter „Bezugnahme auf gesellschaftlich hoch geachtete Werte und anerkannte Ziel-dimensionen“ (Schüll 2022: 33) zu einem ‚Besseren‘ zu beeinflussen.

 

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Workshop Goethe-Universität Frankfurt

„Not kennt kein Gebot? Hunger und Devianz in Rechtsgeschichte und Kriminologie“

Hunger gehört bis heute zu den größten ungelösten Problemen der Menschheit. Die Unterernährung gravierender Teile der Weltbevölkerung hat zuletzt stark zugenommen und damit wieder an Bedeutung gewonnen. Das Ernährungsproblem betrifft dann nicht nur einzelne Menschen, sondern bedroht ganze Gesellschaften. Nahrungsmittelknappheit kann dabei unterschiedliche Formen annehmen und von wiederkehrenden, durch Missernten, Kriege oder Naturkatastrophen ausgelösten Hungersnöten bis hin zu längeren Perioden der Unterernährung von einzelnen Gruppen oder ganzen Bevölkerungen reichen.

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Call for Papers zum KrimJ Schwerpunktheft 4/2023

„Method(ologi)en kritisch-kriminologischer Forschung“

Forschung in und über Kriminalisierungs- und Ausgrenzungsprozesse, soziale Probleme und soziale Kontrolle stellt sich besonderen Herausforderungen. Gegenstände kritisch-kriminologischer Forschungen sind Teil öffentlicher Problematisierungen und so normativ und (kriminal)politisch aufgeladen, bisweilen polarisieren sie. Dies liegt auch daran, dass die Gegenstände häufig aus eben jenen Praxisbezügen heraus generiert werden und gesellschaftliche Ordnungsverhältnisse adressieren.

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Call for Papers: Zugänge zum Recht – zugängliche Rechte?

 

Fünfter Kongreß der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen 21.-23. September 2023; Leopold-Frantzen-Universität Insbruck

“Zugang zum Recht” ist ein klassisches rechtssoziologisches Thema und  ̶  im Plural  ̶  Ausgangspunkt für den interdisziplinären Kongress im September 2023, auf dem aktuelle Überlegungen sowie Debatten rund um „Zugänge zum Recht“ und „zugängliche Rechte“ vorgestellt werden können – gerade vor dem Hintergrund aktueller Krisen und Herausforderungen (Wirtschaft, Klima, Gesundheit, Migration etc.) und technologischer Entwicklungen (allen voran Digitalisierung und Mediatisierung). Dabei geht es um die Zugänglichkeit des Rechts im sozialen Sinne genauso wie um theoretische und methodische Zugänge der Rechtsforschung. Die Zugänglichkeit des Rechts ist, wie empirische Studien immer wieder zeigen, für Menschen abhängig von Herkunft, sozialer Schicht, Geschlecht, Behinderung etc. in sehr unterschiedlichem Maße gegeben.

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Akteure und soziale Kontexte rechter Gewalt

Online-Vortragsreihe im Wintersemester 2022/23

Das Ausmaß rechter Gewalt in Deutschland wird in staatlichen und zivilgesellschaftlichen Statistiken - zum Teil sehr unterschiedlich - quantifiziert. Gerade in der medialen Auseinandersetzung ist dieser statistische Blick auf rechte Gewalt sehr präsent, obwohl er nur bedingt zum Verstehen und Erklären rechter Gewaltphänomene beiträgt. Aus einer soziologisch-historischen Perspektive hingegen rücken Fragen nach konkreten Akteuren sowie nach den sozialen Kontexten rechter Gewalt in den Vordergrund. In diesem Sinne möchten wir mit unserer Veranstaltungsreihe dazu beitragen, den Blick auf rechte Gewalt zu weiten und verschiedene aktuelle sowie historische Phänomene zu beleuchten.

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