Interpretationen und Aushandlungen (sozial-)pädagogischer und sicherheitspolitischer Logiken

Call for Abstracts zum Schwerpunktheft Soziale Probleme 2/2022

Interpretationen und Aushandlungen (sozial-)pädagogischer und sicherheitspolitischer Logiken - Beispiele aus Kinderschutz und Radikalisierungsprävention

Die Diagnose der Sicherheitsgesellschaft verweist auf die wachsende Bedeutung von Sicherheit in westlichen Gesellschaften (Singelnstein/Stolle 2008). In diesem Kontext werden zunehmende Kontroll- und Sicherheitsorientierungen diagnostiziert und eng damit verknüpft ein umfassender Präventionsoptimismus, d.h. das Ansinnen, möglicherweise in Zukunft drohende Risiken und Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. In kriminologischen und soziologischen Debatten werden diese zunehmenden Kontroll- und Sicherheitsorientierungen seit mehreren Jahren kritisch diskutiert (Groenemeyer 2015; Bröckling 2017; am Beispiel Polizeigesetze Busch et al. 2020). In Bezug auf die Bearbeitung sozialer Probleme wird z.B. die Frage aufgeworfen, inwiefern sicherheitspolitische Perspektiven in der Auseinandersetzung mit sozialen Problemen an Gewicht zunehmen und sich in entsprechenden Formen sozialer Kontrolle zeigen (vgl. Dollinger 2014)

Auch wenn die sicherheitskritische Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen in wissenschaftlichen Diskursen nicht neu ist, stellt sich nach wie vor die Frage, wie sich solche sicherheitspolitischen Rahmungen und Orientierungen auf der Ebene des doing social problems niederschlagen. Gerade Annahmen über den problematischen Kern, mögliche Ursachen sowie Ansatzpunkte für die Bearbeitung basieren auf Problemdeutungen, die politisch, institutionell und professionsbezogen beeinflusst werden und in unterschiedlicher Weise auf Sicherheit Bezug nehmen. Divergierende Problemdeutungen wirken sich u.a. auf Modi der Risikoeinschätzungen und der multiprofessionellen Kooperation aus. Diese sollen in dem Schwerpunkt vertieft betrachtet werden.

In den Blick genommen werden dabei zwei Handlungsfelder: Kinderschutz und Radikalisierungsprävention von religiös begründetem Extremismus, in denen in Deutschland gegenwärtig Risikoeinschätzungen und multiprofessionelle Kooperationen realisiert und (kritisch) verhandelt werden. Beide Handlungsfelder sind in besonderer Weise rechtlich verankert und Konstruktionen von Sicherheit, Gefährdungen sowie Schutz spielen jeweils eine zentrale Rolle. Die Bearbeitung erfolgt durch verschiedene (sicherheits-)behördliche und (sozial-)pädagogische Akteur*innen mit je unterschiedlichen institutionellen Logiken, Arbeitsabläufen und Wissensformen, sodass sich in beiden Feldern miteinander verschränkte sicherheitspolitische und (sozial-)pädagogische Handlungspraxen etabliert haben. Aber diese Verschränkung ist in der Praxis meist nicht widerspruchsfrei.

Die vergleichende Betrachtung und Diskussion der beiden Handlungsfelder und Bearbeitungspraxen ist ein Novum in der Forschungslandschaft. Sie ermöglicht es, die Analyse der je verschiedenen Konstruktionen von Sicherheit, Gefährdung und Schutz sowie der unterschiedlichen Handlungspraxen zwischen Schutzaufträgen und angestrebter Risikokontrolle wechselseitig zu schärfen. Auch eröffnet der Vergleich die Möglichkeit, Zeitdiagnosen zur Sicherheitsgesellschaft, die verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen gebündelt analysieren, empirisch fundiert zu betrachten und z.B. Ungleichzeitigkeiten und widersprüchliche Entwicklungen aufzuzeigen.

Die Beiträge des geplanten Schwerpunkthefts sollen zu einem der beiden Handlungsfelder empirisch begründet argumentieren und Bezüge zu Soziologie sozialer Probleme herstellen. Folgende Perspektiven können aufgegriffen werden:


Welche Konstruktionen von Sicherheit, Risiko und Schutz bzw. von Hilfe und Kontrolle spielen in beiden Feldern eine Rolle? Welche Akteur*innen legitimieren sie wie?


Was kann eine „Versicherheitlichung der Präventionsidee“ (Schuhmacher 2018: 160) jeweils feldspezifisch bedeuten? Wie werden (sozial-)pädagogische und sicherheitspolitische Logiken von den Akteur*innen im Feld interpretiert und ausgehandelt?


Wie werden unterschiedliche Problemverständnisse, Kategorien und Einschätzungspraxen im Kinderschutz und in der Radikalisierungsprävention realisiert? Welche Verfahren der Sozialen Diagnostik und Urteilsbildungen lassen sich jeweils differenzieren? Wie gestalten und erleben die verschiedenen Akteur*innen situierte Risikowahrnehmungen und Fallbearbeitungen im Kinderschutz und in der Radikalisierungsprävention?


Wie werden in beiden Handlungsfeldern unterschiedliche Problemdeutungen und Fallzuständigkeiten in multiprofessionellen Kooperationen z.B. von Sicherheitsbehörden und (sozial-)pädagogischen Akteur*innen ausgehandelt?


Welche Handlungsdilemmata können sich aus dem Anspruch der Früherkennung und Prävention zwischen Risikoeinschätzung, Gefahrenprognosen, subjektivem Fallverstehen und autonomen Adressat*innen ergeben? Wie wird z.B. in beiden Feldern das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Herstellung von Sicherheit und einer lebenswelt- und bedürfnisorientierten Sozialen Arbeit ausgehandelt?


Abstracts [max. 3.400 Zeichen inkl. Leerzeichen] senden Sie bitte bis zum 31.10.2021 an:

Katja Schau [Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!" target="_blank">Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!], Carmen Figlestahler [Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!" target="_blank">Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!] und Anke Neuber
[
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!" target="_blank">Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!]

Bis Mitte November 2021 werden die Beiträge ausgewählt und die Autor*innen benachrichtigt. Der 31.3.2022 ist die Deadline für die Einreichung der Beiträge. Alle Beiträge werden in einem peer-review Verfahren begutachtet.

Der vollständige Call for Abstracts kann hier gefunden werden.

Aktuelles

DFG-Graduiertenkolleg "Folgen Sozialer Hilfen"

Tagung am 07./08. September 2023

Die Tagung wird von Kollegiat*innen der ersten Kohorte des DFG-Graduiertenkollegs „Folgen sozialer Hilfen“ organisiert und findet am 7./8. September 2023 an der Universität Siegen (Campus Unteres Schloss) statt. Sie richtet sich an ein interessiertes Fachpublikum aus der theoretischen und empirischen Forschung der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. In Keynotes, Panelbeiträgen und Postersessions werden die folgenden Themenfelder vorgestellt und diskutiert:

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Kriminologisches Sommerfest 01.07. Berlin

Kriminologiches Sommerfest von GiwK und KrimJ am 01.07.2023 in Berlin

Die Zeitschrift Kriminologisches Journal (KrimJ) und die Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie (GiwK) lade ein zum Sommerfest mit Getränken & Snacks, Preisverleihung des Fritz-Sack-Preises und Buchvorstellung: Marxism and Criminology. A History of Criminal Selectivity von Valeria Vegh Weis.

Ort: Humboldt-Universität zu Berlin, Ziegeleistraße 4

Zeit: 16:00 Uhr

Die Teilnahme ist kostenlos. Für die Planung bitten wir um Anmeldung bis spätestens 20.06.23 unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Jahrestagung Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle

Call for papers „Alles neu!? Problemsoziologische Perspektiven auf Semantiken und Praktiken sozialer Innovation und Transformation“

Jahrestagung der Sektion soziale Probleme und soziale Kontrolle in der Deutschen Gesell-schaft für Soziologie am 17./18.11.2023 in Hannover

Wenngleich Ideen, die gegenwärtig mit dem Begriff der sozialen Innovation belegt werden, selbst keineswegs Anspruch auf Neuigkeit erheben können (vgl. u. a. Popplow 2021), ist in jüngerer Zeit ein vermehrtes politisches wie auch wissenschaftliches Interesse an dem theo-retischen Konzept sowie entsprechend markierten empirischen Phänomen zu vermerken (Schüll et al. 2022; Howaldt 2022). Soziale Ungleichheiten, gesellschaftlicher Wandel und di-verse – aktuelle wie sich abzeichnende – Krisenphänomene (u. a. COVID-19-Pandemie, Kriege, Migrationsbewegungen, Klimawandel) leisten Diskussionen um soziale Innovation und Transformation zusätzlichen Vorschub. Diesen als miteinander verschränkt wahrgenomme-nen gesellschaftlichen Entwicklungen soll, zumindest auf programmatischer Ebene, durch so-ziale Innovationen begegnet werden – sie fungieren hier als „Instrumente gesellschaftlicher Gestaltung“ wie auch als Mittel zur „Steuerung sozialen Wandels“ (Schubert 2016: 409). Als konstitutiv für soziale Innovation gelten dabei Merkmale wie Anders- und Neuartigkeit sowie der Anspruch, gesellschaftliche Phänomene, Entwicklungen wie auch individuelle Lebensäußerungen unter „Bezugnahme auf gesellschaftlich hoch geachtete Werte und anerkannte Ziel-dimensionen“ (Schüll 2022: 33) zu einem ‚Besseren‘ zu beeinflussen.

 

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Workshop Goethe-Universität Frankfurt

„Not kennt kein Gebot? Hunger und Devianz in Rechtsgeschichte und Kriminologie“

Hunger gehört bis heute zu den größten ungelösten Problemen der Menschheit. Die Unterernährung gravierender Teile der Weltbevölkerung hat zuletzt stark zugenommen und damit wieder an Bedeutung gewonnen. Das Ernährungsproblem betrifft dann nicht nur einzelne Menschen, sondern bedroht ganze Gesellschaften. Nahrungsmittelknappheit kann dabei unterschiedliche Formen annehmen und von wiederkehrenden, durch Missernten, Kriege oder Naturkatastrophen ausgelösten Hungersnöten bis hin zu längeren Perioden der Unterernährung von einzelnen Gruppen oder ganzen Bevölkerungen reichen.

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Call for Papers zum KrimJ Schwerpunktheft 4/2023

„Method(ologi)en kritisch-kriminologischer Forschung“

Forschung in und über Kriminalisierungs- und Ausgrenzungsprozesse, soziale Probleme und soziale Kontrolle stellt sich besonderen Herausforderungen. Gegenstände kritisch-kriminologischer Forschungen sind Teil öffentlicher Problematisierungen und so normativ und (kriminal)politisch aufgeladen, bisweilen polarisieren sie. Dies liegt auch daran, dass die Gegenstände häufig aus eben jenen Praxisbezügen heraus generiert werden und gesellschaftliche Ordnungsverhältnisse adressieren.

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