„Jugend und Corona – zwischen Problematisierung und Krisenbewältigung“

Call for Papers der Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle (DGS) und des Forschungskomitees Soziale Probleme (SGS) für die Session:

„Jugend und Corona – zwischen Problematisierung und Krisenbewältigung“

auf dem gemeinsamen Soziologiekongress der DGS und ÖGS vom 23. bis 25 August 2021 an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) „Die Post-Corona-Gesellschaft? Pandemie, Krise und ihre Folgen“

Die rasante weltweite Ausbreitung des SARS-CoV2 benannten Virus hat sicher geglaubte Ordnungsvorstellungen und Denkweisen ins Wanken gebracht sowie alltägliche Handlungsroutinen zur Disposition gestellt. Angesichts der Neuartigkeit des Virus hat die Politik ihr Handeln rasch und in einer ansonsten eher unüblichen Weise an Erkenntnissen der medizinischen (insbesondere virologischen) Wissenschaften ausgerichtet und allen Gesellschaftsmitgliedern weitgehende und stetig an das ‚Infektionsgeschehen‘ anzupassende Regelgerüste verordnet. Auf individueller Ebene hat dies Gefühle der Verunsicherung, Angst und Sorgen wie auch des Unmuts hervorgerufen, auf gesellschaftlicher Ebene Bruchstellen und Konflikte sichtbar(er) werden lassen, in denen die Wahrung von Bürger- und Freiheitsrechten dem Schutz der allgemeinen Gesundheit gegenübergestellt wird. Gerade in solchen krisenhaften Umbruchzeiten ergeben sich Möglichkeiten, Problematisierungen von – ansonsten gewöhnlichen – gesellschaftlichen Phänomenen und Handlungsweisen wie unter einem Brennglas zu beobachten.

Dies gilt auch mit Blick auf die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit ‚Jugend‘ und den dieser zugerechneten Lebensstilen. Auch wenn – oder gerade weil – Jugend ein nicht eindeutig zu bestimmender Containerbegriff ist, dient diese Chiffre jeher als Projektionsfläche antizipierter gesellschaftlicher Entwicklungen zwischen Erwartung und Befürchtung. So auch in der aktuellen Situation: Medial getragen wird ‚der Jugend‘ bisweilen ein besonderes epidemiologisches Gefährdungspotenzial attestiert, etwa dann, wenn die ihr zugeordneten Personen(-gruppen) durch ‚verantwortungsloses‘ Freizeitverhalten („Corona-Parties“) als „Treiber“ oder „Super-Spreader“ der Pandemie markiert werden. Derartige Kennzeichnungen transportieren mehr oder minder deutlich Normalitätserwartungen, die durch eine von Erwachsenen vermeintlich abgrenzbare Gruppe verletzt wird, sowie entsprechende moralische Unwerturteile. Es findet damit zugleich eine Ausweitung der – auch außerhalb pandemischer Zeiten etablierten – Rede von Risiko auf bislang nicht problematisierte Praktiken ‚jugendlicher‘ Lebensführung statt. Überdies bietet die Pandemie einen Anlass, an tradierte Deutungsmuster (z.B. ‚Migrationshintergrund‘) und Problemkategorien (z.B. ‚Bildungsferne‘) anzuschließen und damit Personen zu adressieren, die ohnehin vermehrt sozialer Kontrolle unterliegen.


Kritische Einwürfe, die angesichts derartiger Prozesse zur Differenzierung beizutragen versuchen, sind bislang nur vereinzelt und verhältnismäßig leise wahrzunehmen. Eine (weitere) Auffälligkeit des vorherrschenden Diskurses ist darin zu erkennen, dass dieser unter weitgehender Ausblendung jener Stimmen erfolgt, über die gesprochen wird: Junge Menschen kommen nur selten zu Wort. Dabei sind die Folgen der Pandemie gerade für sie spürbar und hinterlassen teils markante Spuren in ihren Lebens- und Erfahrungszusammenhängen (u.a. Unterbrechung von Ausbildungs- und Erwerbsbiographien, stark eingeschränkte Möglichkeiten des sozialen Kontakts mit Gleichaltrigen). Mit den daraus resultierenden Unsicherheiten wie auch mit den an sie herangetragenen Problematisierungen müssen sich die Betroffenen gezwungenermaßen auseinandersetzen und versuchen, sie mittels der ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen innerhalb weiter oder enger Handlungsspielräume zu bewältigen.


Vor diesem Hintergrund laden wir Beiträge ein, die sich den umrissenen sozialen Phänomenen aus verschiedenen Richtungen nähern. Die nachfolgend (nicht erschöpfend) dargestellten Themenbereiche können dabei als Anknüpfungspunkte für weiterführende Fragestellungen dienen:

- Welche Rolle kommt der Wissenschaft im Allgemeinen und unterschiedlichen Disziplinen im Speziellen bei der Problematisierung von Jugend(-lichen) unter pandemischen Bedingungen zu? Inwiefern tragen Teile der Wissenschaft etwa dazu bei, Vorurteile gegenüber Jugend(-lichen) zu (re-)produzieren und Stigmatisierungen zu befördern? Sind auch Versuche der Entproblematisierung zu beobachten und wie greifen die gegenläufigen Prozesse ineinander?

- Auf welche Weise werden ‚Jugend‘ und als ‚jugendlich‘ ausgemachte Gruppen im medialen Diskurs problematisiert? Welche Forderungen nach sozialer Kontrolle werden von welchen Akteur*innen vertreten?

- Welche Unterschiede lassen sich auf sozialstruktureller Ebene hinsichtlich der Lebenslagen von Jugendlichen unter den Bedingungen von Corona feststellen? Inwiefern spitzen sich soziale Ungleichheitsverhältnisse unter der gegenwärtigen Situation zu?

- Wie erleben Jugendliche die Corona-bedingten Veränderungen ihres Lebens? Welche Probleme haben sie mit den Entscheidungen, die über sie und ihre alltägliche Lebensführung getroffen werden? Welche biographischen Erfahrungen machen sie und wie versuchen sie ihre je spezifischen sozialen Lebensbedingungen zu bewältigen? Wie gehen sie mit den sozial produzierten und medial verbreiteten Bildern über ‚die problematische(n) Jugend(-lichen)‘ um? Gibt es Hinweise auf inter- und/oder intragenerationale Konflikte?

Abstracts (max. 2400 Zeichen inkl. Leerzeichen) zu den Tagungsbeiträgen werden bis zum 18.04.2021 erbeten an:


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Der Call kann als hier als pdf heruntergeladen werden

Aktuelles

Tagung 20. und 21. September 2024

50 Jahre Absage des 5. Deutschen Jugendhilfetages: Neue Zwäge - alte Potentiale?

„Die APO tanzte, die Reaktion kreischte und der Veranstalter distanzierte sich. So endete der
4. Jugendhilfetag 1970 in Nürnberg. Dieses Ende dokumentiert die Ohnmacht der etablierten Jugendhilfe, ihr ängstliches Schielen auf die der kapitalistischen Verfassung der BRD verpflichteten Politiker, die über weitere Subventionen der Jugendhilfeverbände zu entscheiden haben.“ (Kurt Sprenger 1974: Sozialarbeit und der 5. DJHT. In: Informationsdienst Sozialarbeit, Heft 6. Frankfurt: 35-38)

Tagung des Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit in Hamburg am 20. und 21. September 2024

 

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Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS)

Crime as a Process. Insights into the Dynamics of a Traveling Concept - Erste Tagung des CiCS

Am 04. und 05. Oktober 2024 findet unter dem Titel "Crime as a Process. Insights into the Dynamics of a Traveling Concept" die erste interdisziplinäre und internationale Tagung des "Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS)" an der Universität Siegen statt. Die Tagung ist zudem der öffentlich sichtbare und feierliche Auftakt für die Forschungsaktivitäten des Zentrums!

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„Erzählungen (in) der Kriminologie“

Tagung der Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie (GiwK)

Aufruf zur Beitragseinreichung für eine von der Gesellschaft für interdisziplinäre Kriminologie (GiwK) organisierte Tagung „Erzählungen (in) der Kriminologie“, die nach aktueller Planung im März 2025 stattfinden soll.

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Nachrichten aus der Redaktion

Mit dem Erscheinen von Heft 3/2023 haben sich folgende Veränderungen in der Redaktion des Kriminologischen Journals ergeben. Ausgeschieden ist Andrea Kretschmann, während Roman Thurn, Philipp Knopp und Nils Schuhmacher neu zur Redaktion gestoßen sind. Die Redaktion und der Herausgeber*innen-Kreis bedankt sich ausdrücklich bei Andrea Kretschmann für die geleistete Arbeit in den vergangenen Jahren. Andrea Kretschmann bleibt dem Kriminologischen Journal als Herausgeberin erhalten.

DFG-Graduiertenkolleg "Folgen Sozialer Hilfen"

Tagung am 07./08. September 2023

Die Tagung wird von Kollegiat*innen der ersten Kohorte des DFG-Graduiertenkollegs „Folgen sozialer Hilfen“ organisiert und findet am 7./8. September 2023 an der Universität Siegen (Campus Unteres Schloss) statt. Sie richtet sich an ein interessiertes Fachpublikum aus der theoretischen und empirischen Forschung der Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. In Keynotes, Panelbeiträgen und Postersessions werden die folgenden Themenfelder vorgestellt und diskutiert:

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